Full text: Oesterreichischer Kunst-Verein in Wien: November – December 1884

Ausstellungs - Gegenstände: 
1. Giron Charles in Paris (1858 in der Schweiz geboren, unter Cabanel’s 
Leitung in Paris ausgebildet). 
„Die beiden Schwestern.” 
(Pariser Boulevard-Scene.,) 
; Colossal-Gemälde. 
Wer sich nur kurze Zeit in Paris aufgehalten, dem wird für’s 
ganze Leben ein Strassenbild im Gedächtnisse bleiben, welches in so 
eigenartiger Scenerie und Belebung wohl kaum anderswo angetroffen 
werden‘ dürfte. * Es ist dies der Anfang- des Boulevard des Capucines, 
dort, wo ‚die einem. antiken Vorbilde nachgeahmte Madeleine-Kirche 
mit ihrer Säulenhalle in klassischer Ruhe steht, während vor derselben 
das moderne Leben mit echtem Pariser Gepräge vorüber wogt. 
Besonders in den Nachmittagsstunden, wenn die »Welt, in der man 
sich langweilt und in der man sich amusirt«, ihre Spazierfahrt im 
»Bois« beendet, entwickelt sich hier ein reichbewegtes Corsotreiben, 
welches ein blendendes Schauspiel luxuriöser Pracht und glänzenden 
Elends darbietet. 
Dieses Schauspiel im Bilde festzuhalten, war Charles Giron ‚mit 
so grosser Kunstfertigkeit und entschiedenem Glücke bestrebt, dass sein 
Colossal-Gemälde »Die beiden Schwestern« im Pariser »Salonc 1883 
wegen seiner Naturwahrheit und des mit. Meisterschaft geschilderten 
dramatischen Vorganges durch den Preis der goldenen Medaille ausge- 
zeichnet wurde. . 
Giron führt den Beschauer in die Mitte des reichbewegten Gewühles 
von Menschen und Fuhrwerken an der Madeleinekirche. Es ist die 
Zeit der Promenade der eleganten Welt. Zwischen Equipagen, Gesell- 
schaftswägen und Karrenfuhrwerk drängen sich Reiter und F ussgeher. 
In der Equipage rechts fährt die berühmte Schauspielerin Madame 
Judic mit ihrer Tochter hinter dem Karren einer Blumenhändlerin vorüber. 
Ganz im Vordergrunde, als dem Brennpunkte der figurenreichen 
Composition, spielt sich ein Stück socialen Lebens aus der Seinestadt 
ab, das dem Bilde den Titel gibt. Hier hält einen Moment eine Equipage, 
in welcher eine elegante Dame mit allem Raffinement des Luxus aus- 
gestattet, ein Bild der Ueppigkeit, wie auf Blumen gebettet ruht. Vor 
  
  
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