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Dem „Pester LIoyd“ entnehmen‘ wir im Auszüge folgende
Beschreibung (von Dr. A. S.). des Bildes:
»Dürch.den schweren, dunklen, persischen Teppich, der halb zurück-
geschoben ist, bricht der. volle Sönnenstrahl: herein‘ und. beleuchtet (die
grausam ‚schöne, Schreck und Mitleid erregende Scene ‚in: einem üppigen
orientalischen‘ Frauengemache. Dieser Strahl des Himmelslichtes gleitet
schräg an den bemalten, mit Sammt/ belegten Wänden herab zur bunt-
gewirkten, längs‘ der Wand’ hinlaufenden Ottomane und spielt auf den
halbnackten Leibern der ermordeten Frauen. Im Hintergrunde des
Gemaches wird es dunkler und dunkler und nur einmal blitzt das
Licht von dem ehernen Helm des Palastofficiers zurück. Diese Stufen-
leiter vom vollen Sonnenlicht: bis zu dem halben Schatten des
Hintergrundes und den durch den Vorhang ‚verdeckten. Partien‘ ist der
allererste frappante’ Eindruck, den der Beschauer‘ von Constant’s Bild
empfängt und der. ihn mit der Erwartung eines ‚vollendeten Ganzen
erfüllt. Und die Erwartung täuscht nicht. Der Meister des Clair-obscur
ist auch ein Meister des Colorits und der Gestaltenmalerei. Der warme,
belebende Sonnenstrahl beleuchtet die Frauenleichen, die noch leise zu
athmen scheinen. Sie liegen in voller Unordnung neben-, übereinander,
| hinabgeglitten von der” blumigen Ottomane, die‘ Kissen Sind. herab-
gerissen, die schönen Opfer liegen mit den Köpfen nach abwärts oder
mit den Gesichtern zur Erde, auf den Stufen, welche zum Marmor-
boden hinabführen. Die weissen Platten, nür zur Hälfte von einem
Teppich bedeckt, zeigen Blut, — Blut, vergossen an diesen schönen,
wehrlosen Geschöpfen. Die‘ Blutspuren führen‘ bis” zum Wasserbassin
mit seinem sprudelnden Springbrunnen, das Wasser ist getrübt durch
das- fremde, von verruchter‘ Hand vergossene Nass. Doch schwimmen
noch, einige — Rosenblätter auf dem Va Rosenblätter neben den
Blutstropfen gemordeter Frauen.
Es gibt nur eine Sünde im Harem. Doch wie gross ist dagegen
die /jahrtausendalte Versündigung am weiblichen Geschlechte, welche
der Mohamedanismus auf dem Gewissen hat. Gegenüber dieser uralten
Rechtsberaubung verschwindet jede einzelne. noch so schwere Sünde. der
Orientalin. Die- grausamen Mysterien des orientalischen Frauengemaches
könnten nicht lebendiger, gemüthsergreifender geschildert werden, als in
diesem Gemälde Constant’s.
Die‘ hingemordeten Favoritinnen erscheinen als Vertreterinnen ‚fast
ebenso: vieler weiblichen Racen und Typen. Die Repräsentantin des
französischen Typus ist die im äussersten Vordergrunde liegende. - Die