Full text: Oesterreichischer Kunst-Verein in Wien: November 1885

  
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Dem „Pester LIoyd“ entnehmen‘ wir im Auszüge folgende 
Beschreibung (von Dr. A. S.). des Bildes: 
»Dürch.den schweren, dunklen, persischen Teppich, der halb zurück- 
geschoben ist, bricht der. volle Sönnenstrahl: herein‘ und. beleuchtet (die 
grausam ‚schöne, Schreck und Mitleid erregende Scene ‚in: einem üppigen 
orientalischen‘ Frauengemache. Dieser Strahl des Himmelslichtes gleitet 
schräg an den bemalten, mit Sammt/ belegten Wänden herab zur bunt- 
gewirkten, längs‘ der Wand’ hinlaufenden Ottomane und spielt auf den 
halbnackten Leibern der ermordeten Frauen. Im Hintergrunde des 
Gemaches wird es dunkler und dunkler und nur einmal blitzt das 
Licht von dem ehernen Helm des Palastofficiers zurück. Diese Stufen- 
leiter vom vollen Sonnenlicht: bis zu dem halben Schatten des 
Hintergrundes und den durch den Vorhang ‚verdeckten. Partien‘ ist der 
allererste frappante’ Eindruck, den der Beschauer‘ von Constant’s Bild 
empfängt und der. ihn mit der Erwartung eines ‚vollendeten Ganzen 
erfüllt. Und die Erwartung täuscht nicht. Der Meister des Clair-obscur 
ist auch ein Meister des Colorits und der Gestaltenmalerei. Der warme, 
belebende Sonnenstrahl beleuchtet die Frauenleichen, die noch leise zu 
athmen scheinen. Sie liegen in voller Unordnung neben-, übereinander, 
| hinabgeglitten von der” blumigen Ottomane, die‘ Kissen Sind. herab- 
gerissen, die schönen Opfer liegen mit den Köpfen nach abwärts oder 
mit den Gesichtern zur Erde, auf den Stufen, welche zum Marmor- 
boden hinabführen. Die weissen Platten, nür zur Hälfte von einem 
Teppich bedeckt, zeigen Blut, — Blut, vergossen an diesen schönen, 
wehrlosen Geschöpfen. Die‘ Blutspuren führen‘ bis” zum Wasserbassin 
mit seinem sprudelnden Springbrunnen, das Wasser ist getrübt durch 
das- fremde, von verruchter‘ Hand vergossene Nass. Doch schwimmen 
noch, einige — Rosenblätter auf dem Va Rosenblätter neben den 
Blutstropfen gemordeter Frauen. 
Es gibt nur eine Sünde im Harem. Doch wie gross ist dagegen 
die /jahrtausendalte Versündigung am weiblichen Geschlechte, welche 
der Mohamedanismus auf dem Gewissen hat. Gegenüber dieser uralten 
Rechtsberaubung verschwindet jede einzelne. noch so schwere Sünde. der 
Orientalin. Die- grausamen Mysterien des orientalischen Frauengemaches 
könnten nicht lebendiger, gemüthsergreifender geschildert werden, als in 
diesem Gemälde Constant’s. 
Die‘ hingemordeten Favoritinnen erscheinen als Vertreterinnen ‚fast 
ebenso: vieler weiblichen Racen und Typen. Die Repräsentantin des 
französischen Typus ist die im äussersten Vordergrunde liegende. - Die 
  
 
	        
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