Full text: Künstlerische Folgen einer Steinigung. Franz Xaver Wagenschön und seine Vorbilder (Curator's Choice, Nr. 5, 2023)

GEORG LECHNER CURATOR‘S CHOICE 
# 5 / 2023 
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gew esen sein, dass das Gemälde nicht in den Sammlungskatalogen 
des Barockmuseums von 1923 und 1934 verzeichnet wur de. 7 Daraus 
ist wied erum zu schließen, dass W a genschöns Stein igung des heiligen 
Stephanus nicht im Unteren Belvedere ausgestell t war. Auch im Zuge 
der Wied er einrichtung der Sammlung nach dem Zweiten W eltkrieg 
wurde die ses Bild nicht in die permanente Präsentation auf genom men. 
Gezeigt wurde es lediglich im Ra hmen von zwei W echsel ausstellungen 
1937 und 1957 zu Skizzen und Entwürfen österreichischer Bar ock- 
künstler . In den begleitend en Katalogen fi nden sich keine A b bildungen 
di eses Gemäldes, was einem größeren Bekanntheitsgrad desselben 
entgegenstand. 8 
Die Meinung von Hermann Voss stieß in der Folge jedoch nicht 
auf Akzeptanz. Zuletzt nahm Petra Suchy das Altargemälde in den 
Reigen der Arbeiten Carl ones in Niederösterreich auf, wobei sie dies 
mit der stilistisch e n Nähe zu den Werken in der K armelitenki r che in 
Linz sowie in der Michaelskirche in Passa u begrün dete. 9 Sch ließen wir 
uns die ser Argumentation an, so haben wir in dem kl e inf ormatigen 
Bild von W agenschön entweder einen leicht v ariier ende n Ricor do oder 
aber einen von dem Kirchberger Altarblatt in spirierten Entwurf 
für ein bislang unbekanntes Werk zu sehen. Um der Antwort auf diese 
Frage näher zu kommen, scheint es sinnvoll, sich zunächst einmal mit 
dem dargestellten Inhal t und möglichen V orbildern zu b esch äftigen. 
Vita und Martyrium des Heiligen sind in der Apostelgeschichte 
ebens o beschrieben wie in der späteren Legenda aurea des Jacobus 
de Voragine (um 1 264). Für die vorliegende Darstellung scheint der 
Blick auf die biblische Schilderung der V orkommnisse von besonderem 
Interesse: 
„Er aber, erfüllt vom Heil igen Geist, b lickte zum Himme l empor, sah die Herrlichkeit 
Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den Him mel offen und 
den Menschensohn zur Rechten Gottes steh en. Da erhoben sie ein l autes Geschrei, hiel ten 
sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, triebe n ihn zur Stadt h inaus und stei- 
n igten ihn. Die Zeugen le gten ihre Kleider zu Füßen eines jun gen Man nes nieder, der Saulu s 
hieß. So steinigten sie Stephanus; er aber bete te und rief: Herr Jesus, nimm me inen Geist 
auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! 
Nach d iesen Worten starb er.“ (Apg, 7,55-58) 
Im Fall des kl e inf ormatigen Gemäldes im Belvedere wie auch des 
Alt arbla ttes in Kirchberg ist jener Momen t zu sehen , in dem der Heilige 
in die Knie sinkt. Er ist von Männern umgebe n, die sich teilw eise ihrer 
Kleidung entledigt haben, Steine in ihren Hände n ha lten und ausholen, 
um den Pr otagonisten im näc hsten Moment zu töten. Trotz der hefti- 
gen Bewegungen scheint das Geschehen für einen kurz en Augenblick 
zum Still stand gekommen, wodurch das flehende Gebet des Märtyrers 
zur Dreifaltigkeit in der ober en Bildzone zusätzliches Gewicht erhä lt. 
Von der Gruppe im Ze ntrum hebt sich der ebenfalls in der Bibel erw ähn- 
te Saulus ab, der sich rechts im V ordergrund niedergelassen hat und 
angespannt dem Geschehen fo lgt. 
⟶ 
Abb. 2: Franz Anton Maulbertsch, Steinigung des heiligen 
Stephanus, um 1782/83, Öl auf Leinwand, 35 × 20 cm, 
Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 3194; Foto: Belvedere, Wien 
7 Österreichische Galerie (Hg.), Das Barockmuseum im Unteren Belvedere, Wien 1923. – Österreichische Galerie (Hg.), Das Barockmuseum im Unteren Belvedere,   
 Wien 1934. 
8 Entwürfe von Malern, Bildhauern und Architekten der Barockzeit in Österreich (XXV. Ausstellung im Oberen Belvedere), Wien 1937, S. 25, Kat.-Nr. 117. – Entwürfe   
  österreichischer Barockkünstler (XLII. Wechselausstellung der Österreichischen Galerie; Mitteilungen der Österreichischen Galerie, 1. Jg., Nr. 5, Mai 1957), Wien   
  1957, S. 16, Kat.-Nr. 128. 
9 Suchy 2008 (wie Anm. 5), unpaginiert [S. 69 – 71].
	        
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