Full text: Lustige Gesellschaft in einer Gondel. Anton Romakos Englandreise im Sommer 1873 und ihre Folgen (Curator's Choice, Nr. 7, 2024)

MARKUS FELLINGER CURATOR‘S CHOICE 
# 7 / 2024 
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Auch die offene, skizzenhafte Malweise von Pour nous prouver que 
cette belle mag für Romako eine Anregung gewesen sein, der die Vir- 
tuosität und Autonomie des Pinselstrichs aber noch viel weiter treibt.17 
In diesem Werk findet man auch eine aus verschiedenen Pastelltönen 
aufgebaute Lichtstimmung als Hintergrund, wie sie in vielen späteren 
Arbeiten Romakos auftaucht, sowie ein Kindergesicht mit übernatür- 
lich vergrößerten Augen. Diese Übertreibung des Kindchenschemas 
wurde zu einer stilistischen Besonderheit von Romakos späteren 
Werken. 
Auf Watteaus berühmtestes Bild, nämlich Pèlerinage à l’ île de 
Cythère im Louvre, deutet auch das Motiv der Gondel hin.18   
In Watteaus Hauptwerk ist es allerdings eine größere Barke, auf der 
sich die ausgelassene Rokoko-Gesellschaft zum Venusfest einschifft. 
Ein weiteres Gemälde Watteaus mit einer galanten Gesellschaft in 
einer Barke befand sich in der Londoner Sammlung des 1864 verstor- 
benen Hugh Andrew Johnstone Munro.19 
Während das Motiv von Lustige Gesellschaft in einer Gondel durch 
Anregungen des französischen Rokoko gut erklärbar ist, so ist für die 
Gestaltung der landschaftlichen Szenerie eine weitere Inspirationsquel- 
le anzuführen. Eine in einem Skizzenbuch in der Sammlung der Albertina 
erhaltene Kompositionsskizze zum Gemälde deutet noch eine weitaus 
differenziertere Landschaft mit architektonischen Versatzstücken an.20 
Im Gemälde verschmelzen nun aber das Wasser des Sees und die üppi- 
ge Ufervegetation, ja sogar der kleine Ausschnitt des Himmels kolo- 
ristisch ineinander zu einer vage angedeuteten Szenerie, eine Grenze 
zwischen Wasser und Land ist kaum auszumachen. Diese Gestaltung 
der Landschaft lässt an einen Maler denken, dessen Werke Romako 
in London sicherlich gut kennenlernte: Joseph Mallord William Turner. 
Dieser hatte vor seinem Tod im Jahr 1851 seinen gesamten Nachlass 
dem britischen Staat vermacht mit der Auflage, die Werke öffentlich 
auszustellen. Als Romako sich in London aufhielt, waren deshalb fast 
zweihundert Gemälde in der National Gallery zu sehen.21 Es ist davon 
auszugehen, dass Romako diese Sammlung genau studierte, denn sie 
übte auf sein weiteres Schaffen einen beträchtlichen Einfluss aus. Ins- 
besondere Turners Spätwerke, die mit dem Verschmelzen von Licht   
und Farbe zu stimmungsvollen Effekten beinah abstrakter Natur für 
viele Generationen moderner Maler*innen wegweisend waren, konn- 
ten für Romako, der für extreme Farb- und Formwirkungen offen war, 
einen kreativen Anreiz darstellen. In der Abstraktion von Form und 
Farbe ging Romako zwar nie so weit wie Turner, dafür lag sein Fokus 
viel zu sehr auf der Expressivität von Figuren und ungewöhnlichen   
Perspektiven. Turner’sche Licht- und Farbeffekte findet man aber in 
der Folge häufig in Romakos Bildern, etwa in Form von glühendem 
⟶ 
Abb. 5: Schreiben von Ernest Makins an Fritz Novotny, 
15. 4. 1951, Archiv des Belvedere, Wien, Materialsammlung zu 
Anton Romako von Fritz Novotny und Cornelia Reiter, recto, 
Sign. AKB_KD-16, Mappe zu WVZ-Nr. 181 (Die Brigantessa); 
Foto: Belvedere, Wien 
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Abb. 6: Schreiben von Ernest Makins an Fritz Novotny 
(siehe Abb. 5), verso, Sign. AKB_KD-16, Mappe zu WVZ-Nr. 
181 (Die Brigantessa); Foto: Belvedere, Wien 
17 Jean-Antoine Watteau, Pour nous prouver que cette belle, um 1717/18, Öl auf Holz, 18,6 × 23,7 cm, The Wallace Collection, London,   
https://wallacelive.wallacecollection.org:443/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=65311&viewType=detailView   
(zuletzt besucht am 22. 3. 2023). 
18 Jean-Antoine Watteau, Pèlerinage à l’île de Cythère, 1717, Öl auf Leinwand, 129 × 194 cm, Louvre, Paris, https://collections.louvre.fr/en/ark:/53355/cl010061995 
  (zuletzt besucht am 22. 3. 2023). Romako besuchte auf dem Weg nach England vermutlich erstmals in seinem Leben Paris, wo er dieses Bild im Louvre gesehen 
  haben könnte. 
19 Faroult/Preti/Vogtherr 2014 (wie Anm. 14), S. 64, 137. – Michael Levey, „A Watteau Rediscovered: ‚Le Printems‘ for Crozat“, in: The Burlington Magazine, Bd. 106,   
Nr. 731, Februar 1964, S. 52 – 59. 
20 Anton Romako, Verschiedene Skizzen (Menschen in einem Boot), Bleistift, um 1873/76, 12,4 × 19 cm, Albertina, Wien, Inv.-Nr.26560/46r,   
https://sammlungenonline.albertina.at/?query=search=/record/objectnumbersearch=[26560/46r]&showtype=record (zuletzt besucht am 22. 3. 2023).
	        
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